Geburtshilfe im Wandel – die neue Mut-mach-Leitlinie für Geburtshilfe

von Brigitte Schelle
Expertin für Naturheilkunde

Die Geburt deines Babys ist zweifelsohne einer der wichtigsten Schlüsselmomente in deinem Leben und dem deines Kindes und deines Partners, sowie eurer ganzen Familie.

Damit du in diesen sensiblen Stunden möglichst optimal betreut wirst, wurde von Fachkreisen* in Zusammenarbeit mit Frauen eine neue S3 Leitlinie** erarbeitet. Diese gibt Januar 2021 vor, wie „Gebärende und deren Kinder, die am Termin als Einling aus Schädellage geboren werden“ während einer vaginalen Geburt behandelt werden sollten. Die neuen Leitlinien sind deshalb so spannend, weil sie deine Rechte während der Geburt enorm stärken! Du musst über alle Maßnahmen, die während der Geburt erfolgen aufgeklärt werden und dein Einverständnis dazu geben, soweit dies möglich ist.

Grund genug für dich und deinen Partner, euch rechtzeitig mit dem Inhalt dieser Leitlinien zu befassen.

Welcher Zeitraum gilt als normaler Geburtstermin?

Kommt dein Baby innerhalb der 37. Schwangerschaftswoche + 0 (Tagen) bis einschließlich 41. Schwangerschaftswoche + 6 (Tagen) zur Welt, so ist es am normalen Geburtstermin entbunden.

Hier für dich unsere kurze Übersicht zu den wichtigsten Punkten:

  • Du als schwangere Frau sollst vor der Geburt ausreichend informiert werden, um selbstbestimmt entscheiden können, auch über die Wahlmöglichkeit des Geburtsorts. Fordere diese Information ein!
  • Deine individuelle und respektvolle Betreuung mit Wertschätzung und Achtung versteht sich von selbst, wird hier aber eigens aufgeführt!
  • Es sollte ermöglicht werden, dass du von einer Begleitperson / Begleitpersonen deiner Wahl während der Geburt unterstützt werden kannst.
  • Die Hebamme ist während der Geburt deine primäre Ansprechpartnerin.
  • Du darfst unter der Geburt trinken. Isotonische Getränke sind gegenüber Wasser zu bevorzugen. Informiere dich, wie das in deinem Geburtshaus oder -klinik gehandhabt wird.
  • Nach einem Blasensprung gibt es im Gegensatz zu früher keine Empfehlung, dass du liegen musst. Es muss auch keine routinemäßige vaginale Untersuchung erfolgen.
  • Nicht-medikamentöse, wohltuende und schmerzlindernde Maßnahmen sollen während der Wehen als sichere erste Optionen angeboten werden. (z. B. Akupunktur, Akupressur, Hypnose, Aromatherapie, Massage) – informiere dich schon vor der Geburt, was dir guttut und was die Geburtseinrichtung deiner Wahl anbietet!
  • Ab der aktiven Eröffnungsphase unter der Geburt (Muttermundöffnung circa 4–6 cm oder Kreißsaal-Aufnahme) solltest du eine Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Hebamme erhalten.
  • CTG-Aufzeichnung:
    • die Herztöne deines Babys sollte mittels Ohr oder Hörrohr abgehört werden. Das hat mehr Vorteile hat als das CTG.
    • wenn du als Niedrig-Risiko-Schwangere aufgenommen wirst, sollte das CTG nicht bei Verdacht auf Geburtsbeginn durchgeführt werden.
    • nach einer PDA muss keine routinemäßige CTG-Überwachung erfolgen.
  • Vaginale Untersuchungen sollen nicht routinemäßig durchgeführt werden.
  • Du sollst dich während der Wehen viel bewegen können und in der Austrittsphase die Rückenlage vermeiden. Jedoch sollst du die Position einnehmen können, die du als angenehm empfindest und dabei unterstützt werden.
  • Es soll kein routinemäßiger Dammschnitt erfolgen. Maßnahmen gegen den Dammriss (z. B. Kompressen) sollen angeboten werden. Du kannst selbst in den letzten Wochen vor der Geburt dein Damm-Gewebe gut auf die Dehnung mit Dammasagen vorbereiten!
  • Bis zu 60 Minuten nach der Geburt deines Babys kann die Nachgeburtsperiode abgewartet werden.
  • Nach der Entbindung sind die Geburtsbegleiter angehalten, ein ungestörtes Bonding zwischen euch Eltern und eurem Kind zu ermöglichen und möglichst nicht zu stören. Nötige Untersuchungen des Babys sollten im Beisein von euch Eltern erfolgen.

Beachte jedoch, dass viele dieser Regelungen für eine komplikationslose Geburt mit Eins-zu-eins Betreuung gelten. Wenn während der Geburt Risiken festgestellt werden, können für deine Geburtsbegleitung andere Regelungen in Kraft treten.

Eine Kurzfassung dieser Leitlinien findest du hier: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-083k_S3_Vaginale-Geburt-am-Termin_2021-01_1.pdf



*  erarbeitet von der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi) unter Beteiligung zahlreicher weiterer Fachgesellschaften


** In Deutschland koordiniert die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) die Leitlinien-Entwicklung und teilt die Leitlinien in vier Klassen ein.
S3-Leitlinie: Nur diese Leitlinienform erfüllt alle der folgenden Anforderungen: Die Kommission ist repräsentativ besetzt, das Wissen wird systematisch gesammelt und bewertet. Und es gibt ein geregeltes Verfahren, um bei verschiedenen Einschätzungen innerhalb der Kommission zu einer einheitlichen Empfehlung zu kommen. S3-Leitlinien sind am verlässlichsten, aber auch am aufwendigsten zu erstellen: Die Entwicklung kann mehrere Jahre dauern.
Siehe auch Link: https://www.gesundheitsinformation.de/was-sind-leitlinien.html