Vitalpilze: Wirkung und Anwendung

von Monika Müller-Lochner
Expertin für Naturheilkunde

Schon seit vielen tausend Jahren vertrauen Kulturen in Asien auf die Kraft der Pilze. Was dort seit Langem als fester Bestandteil der traditionellen Medizin gilt, findet heute auch in der westlichen Welt immer mehr Beachtung: die Vitalpilze.

Vitalpilze werden heute oft als Superfood gesehen und sind besonders in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), der japanischen Volksheilkunde und anderen asiatischen Gesundheitslehren bekannt. 

In Deutschland werden diese besonderen Pilze und ihre Extrakte mittlerweile vor allem als Supplements in Form von Kapseln oder Pulver bei verschiedenen Beschwerden erfolgreich eingesetzt.

Doch was genau steckt dahinter? Sind sie wirklich so hilfreich und worauf muss man bei der Einnahme achten? In diesem Artikel erfährst du alles wichtige über Vitalpilze.

Inhalt des Artikels

1. Was sind Vitalpilze und wofür nutzt man sie?

Vitalpilze, oft auch als Heilpilze oder Medizinalpilze bezeichnet, unterscheiden sich von gewöhnlichen Speisepilzen durch ihre hohe Konzentration an spezifischen bioaktiven Verbindungen. Man isst sie also weniger wegen ihres Geschmacks, sondern vielmehr wegen der wertvollen Inhaltsstoffe.

Diese Inhaltsstoffe verleihen ihnen besondere gesundheitsfördernde Eigenschaften. Von der Stärkung des Immunsystems bis zur Unterstützung bei Stress – aktuelle wissenschaftliche Studien bestätigen zunehmend, was durch alte Überlieferungen bereits seit vielen hundert Jahren vermutet wurde.

Zu den bekanntesten und am besten erforschten Vitalpilzen zählen:

Reishi (Ganoderma lucidum): Auch "Pilz der Unsterblichkeit" genannt, ist bekannt für seine immunmodulierenden und adaptogenen Eigenschaften, die dem Körper dabei helfen können, sich besser an Stress anzupassen.

Cordyceps (Cordyceps sinensis): Wird oft bei Müdigkeit und zur Steigerung von Energie, Ausdauer und Libido eingesetzt. Er ist besonders beliebt bei Sportlern, kommt aber auch bei Paaren mit Kinderwunsch zum Einsatz, da er die allgemeine sexuelle Aktivität steigern kann.

Lion's Mane (Hericium erinaceus): Bekannt als "Igelstachelbart", wird er für seine potenziellen positiven Effekte auf das Nervensystem und die kognitiven Funktionen geschätzt. Neueste Studien untersuchen seine Rolle bei der Neurogenese.

Shiitake (Lentinula edodes): Ein beliebter Speisepilz, der ebenfalls immunstärkende und cholesterinsenkende Eigenschaften besitzt.

Maitake (Grifola frondosa): Der "Klapperschwamm" ist bekannt für seine Unterstützung des Immunsystems und seine potenziellen Effekte auf den Blutzuckerspiegel.

Chaga (Inonotus obliquus): Der "Schiefer Schillerporling", ein Kraftpaket an Antioxidantien, wird besonders in Russland schon seit langer Zeit zur Stärkung des Immunsystems und des allgemeinen Wohlbefindens eingesetzt.

Du siehst: Jeder dieser Pilze hat sein eigenes Spektrum an Wirkstoffen und damit spezifische Vorteile. Aktuelle Studien zu den genauen Wirkmechanismen sind bereits sehr vielversprechend; einige habe ich dir weiter unten verlinkt. Im Moment werden die Vitalpilze bereits für die unterschiedlichsten Beschwerden von Infektanfälligkeit zu Magen-Darmbeschwerden über Kinderwunsch bis hin zu Entzündungen, Arthrose oder zur allgemeinen Stärkung sowie bei Wechseljahrbeschwerden eingesetzt.

2. Wirkmechanismen: Wie Vitalpilze den Körper unterstützen können

Die beeindruckende Wirkung der Vitalpilze beruht auf einer komplexen Mischung aus bioaktiven Substanzen. Die wichtigsten sind:

Polysaccharide (insbesondere Beta-Glucane): Diese komplexen Kohlenhydrate sind der Hauptgrund für die immunmodulierende Wirkung der Pilze. Sie können das Immunsystem entweder anregen oder beruhigen, je nachdem, was der Körper gerade benötigt. Diese komplexen Kohlenhydrate können dein Immunsystem sanft beeinflussen, indem sie die Aktivität der Abwehrzellen ankurbeln. Die aktuelle Forschung konzentriert sich auf die spezifische Struktur der Beta-Glucane und wie diese die Immunantwort beeinflusst.

Triterpene: Diese sekundären Pflanzenstoffe sind für viele adaptogene, entzündungshemmende und leberschützende Eigenschaften verantwortlich. Zudem können sie schmerzlindernd wirken und sich positiv auf Allergie bedingte Beschwerden auswirken. Reishi ist besonders reich an Triterpenen.

Antioxidantien: Viele Vitalpilze sind wahre kleine Kraftpakete, wenn es um Antioxidantien wie phenolische Verbindungen und Selen geht. Sie können deinem Körper helfen, oxidativen Stress zu reduzieren. Vitalpilze wie Austernpilz und Maitaker sind reich an Antioxidantien wie Ergothionein, die freie Radikale neutralisieren und die Zellen schützen.

Vitamine, Mineralstoffe und Aminosäuren: Viele Vitalpilze enthalten zudem wichtige B-Vitamine, Vitamin D, Kalium, Selen, Zink und essenzielle Aminosäuren, die zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen. So unterstützen sie zahlreiche Stoffwechselvorgänge und sind dafür unentbehrlich.

Die Forschung konzentriert sich zunehmend auf das Zusammenspiel dieser Stoffe und ihre Effekte auf den Körper. Beispielsweise wird intensiv erforscht, wie Lion's Mane die Produktion von Nervenwachstumsfaktoren stimulieren und so die Gesundheit des Gehirns unterstützen könnte, oder wie bestimmte Polysaccharide die Darm-Mikrobiota positiv beeinflussen, was wiederum Auswirkungen auf das Immunsystem und sogar die Stimmung haben kann. Diese Erkenntnisse zeigen das immense Potenzial der Vitalpilze für den ganzheitlichen Gesundheitsansatz.

3. Anwendungsgebiete: Für wen sind Vitalpilze geeignet?

Vitalpilze können eine breite Palette von gesundheitlichen Vorteilen bieten und sind für verschiedene Bedürfnisse geeignet. Heute versucht die Wissenschaft, den traditionellen Anwendungen mit modernen Methoden auf den Grund zu gehen. Hier siehst du einige Themengebiete, an denen gerade geforscht wird:

Stärkung des Immunsystems: Viele Vitalpilze, insbesondere Reishi, Shiitake und Maitake, sind bekannt für ihre Fähigkeit, das Immunsystem zu modulieren und die Abwehrkräfte zu stärken. Das kann hilfreich sein, um Erkältungen vorzubeugen oder die Genesung zu unterstützen.

Stressmanagement und Nervensystem (Gehirn und kognitive Fähigkeiten): Pilze wie Reishi und Cordyceps wirken adaptogen, das heißt, sie helfen dem Körper, sich an Stress anzupassen und das innere Gleichgewicht wiederzufinden. Den Igelstachelbart habe ich weiter oben schon erwähnt. Man vermutet, dass er die Produktion von Nervenwachstumsfaktor (NGF) anregen kann. Lion's Mane wird daher besonders für seine potenziellen Vorteile bei Konzentration, Gedächtnis und zur Unterstützung des peripheren Nervensystems geschätzt. 

Energie und Ausdauer: Cordyceps ist bei Sportlern und Menschen, die unter Müdigkeit leiden, beliebt, da er die Sauerstoffaufnahme verbessern und die Zellenergie steigern kann. 

Eine vielversprechende, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie aus dem Jahr 2022 (Savioli et al.) untersuchte die Wirkung von Cordyceps auf die sportliche Leistung bei Amateur-Marathonläufern. Die Ergebnisse zeigten, dass die Cordyceps-Gruppe deutlich besser abschnitt, weniger Ermüdung zeigte und eine niedrigere Herzfrequenz bei Anstrengung hatte. Das deutet auf eine mögliche Verbesserung der Ausdauer und des Energielevels hin.

Herz-Kreislauf-Gesundheit: Shiitake und Reishi können zur Regulierung des Cholesterinspiegels und zur Unterstützung eines gesunden Blutdrucks beitragen.

Darmgesundheit: Einige Vitalpilze wirken präbiotisch und können so eine gesunde Darmflora fördern, was wiederum das Immunsystem und die allgemeine Verdauung positiv beeinflusst. Aktuell wird auch die Zusammensetzung des Darmmikrobioms und die Auswirkung auf die psychische Gesundheit untersucht. So gibt es z.B. den Verdacht, dass bestimmte Nahrungsmittel vor der Entstehung von Depressionen schützen könnten.

Blutzuckerregulierung: Auch hier forscht man intensiv! Es wird untersucht, inwiefern Vitalpilze helfen können, den Blutzuckerspiegel in Balance zu halten, besonders bei Typ-2-Diabetes.

Starker Schutz durch Antioxidantien: Stell dir vor, du hättest ein inneres Schutzschild gegen schädliche Einflüsse. Aktuelle Studien und Artikel bekräftigen bereits die starken antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften des Chaga-Pilzes, die auf seinen Reichtum an Polyphenolen, Melanin und Beta-Glucanen zurückzuführen sind. Dies könnte dazu beitragen, deine Zellen vor Schäden zu schützen und Entzündungen zu reduzieren. 

Begleitende Krebstherapie: In Asien werden Pilzextrakte oft als unterstützende Therapie bei Krebserkrankungen eingesetzt. Hier geht es darum, Nebenwirkungen von Chemo- oder Strahlentherapie zu lindern und die körpereigenen Abwehrkräfte zu stärken. 

Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass hier noch viele weitere, umfassende Humanstudien nötig sind, um die Wirksamkeit und Sicherheit bei Menschen eindeutig zu belegen. Die Einnahme der Pilze während einer Krebserkrankung sollte daher ausschließlich in Absprache und unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

Demenz-/Alzheimer-Prävention: Die aktuelle Forschung blickt mit großem Interesse auf Austernpilze. Hier geht es besonders um den Inhaltsstoff Ergothionein. Dieser einzigartige Stoff wirkt stark antioxidativ und entzündungshemmend und kann sogar direkt in deinem Gehirn ankommen, um dort zu schützen. Forscher haben herausgefunden, dass Menschen mit neurologischen Problemen oft weniger Ergothionein im Körper haben. Das lässt vermuten, dass dieser Stoff eine wichtige Rolle für den Schutz des Gehirns spielen könnte.

Eine vielbeachtete langjährige Studie aus Singapur (ab 2019) hat gezeigt, dass Senioren, die regelmäßig Pilze aßen (u.a. Austernpilze), ihr Risiko, an Demenz zu erkranken, deutlich senken konnten. Schon eine kleine Portion pro Woche hatte hier positive Effekte.

Neuere Studien (ab 2022) untersuchen genauer, wie Ergothionein wirkt. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass es die Lernfähigkeit verbessern und Marker für Nervenschäden im Gehirn stabilisieren kann.

Eine Tierstudie von 2024 deutete an, dass Inhaltsstoffe aus Austernpilzen einen wichtigen Wachstumsfaktor für deine Nervenzellen positiv beeinflussen könnten, der für Lernen und Gedächtnis entscheidend ist.

Eine ältere Studie von 2016 zeigte sogar, dass Polysaccharide aus Austernpilzen die Bildung von Alzheimer-typischen Proteinen reduzieren konnten.

Auch wenn noch weitere umfassende klinische Studien nötig sind, um alle ihre potenziellen Vorteile von Vitalpilzen vollumfänglich zu bestätigen, sind die aktuellen Forschungsergebnisse schon sehr vielversprechend.

4. Darreichungsformen und Qualität: darauf solltest du achten

Beim Kauf von Vitalpilz-Produkten ist die Qualität entscheidend, um auch die gewünschte Wirkung zu erzielen. Du findest Vitalpilze hauptsächlich in zwei Darreichungsformen:

Pilzpulver: Hier wird der gesamte getrocknete Pilz fein vermahlen. Der Vorteil: Du bekommst das gesamte Spektrum des Pilzes inklusive aller Ballaststoffe. Die Konzentration der bioaktiven Wirkstoffe ist hier jedoch geringer als in Extrakten.

Extrakte: Durch spezielle Extraktionsverfahren (z.B. Heißwasser- oder Alkohol-Extraktion) werden die bioaktiven Inhaltsstoffe wie Polysaccharide und Triterpene konzentriert. Extrakte sind daher in der Regel potenter und gezielter in ihrer Wirkung. Hochwertige Produkte sind oft "Dual-Extrakte", die sowohl wasserlösliche als auch alkohollösliche Stoffe enthalten.

Achte also beim Kauf unbedingt auf folgende Qualitätsmerkmale:

Herkunft und Anbau: Bevorzuge Produkte aus kontrolliert biologischem Anbau, idealerweise aus schadstoffarmen Regionen.

Analysezertifikate: Seriöse Anbieter lassen ihre Produkte regelmäßig von unabhängigen Laboren auf Wirkstoffgehalt (z.B. % Polysaccharide) sowie auf Verunreinigungen wie Schwermetalle, Pestizide und Radioaktivität prüfen und stellen diese Zertifikate zur Verfügung.

Reiner Pilz: Viele günstige Produkte enthalten Myzel, das auf Getreide gewachsen ist. Hierbei handelt es sich nicht um den eigentlichen Fruchtkörper des Pilzes und der Pilzanteil, sowie die Wirkstoffkonzentration sind deutlich geringer. Suche dir daher Produkte aus, die ausdrücklich als reine Fruchtkörperextrakte oder -pulver deklariert sind.

Extraktionsverfahren: Versuche Informationen zur angewandten Extraktionsmethode zu finden. So kannst du sicherstellen, dass die gewünschten Wirkstoffe optimal gelöst wurden.

Deutsche oder europäische Hersteller: Diese unterliegen sehr strengen Qualitäts- und Kontrollstandards.

Beginne die Einnahme stets mit einer niedrigen Dosis und steigere diese dann langsam, um deine individuelle Verträglichkeit zu testen. Beachte dabei immer die Empfehlungen des Herstellers und sprich dich idealerweise mit deinem Arzt/Ärztin ab.

5. Mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen

Vitalpilze gelten im Allgemeinen als gut verträglich. Dennoch solltest du mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen nicht außer Acht lassen:

Leichte Verdauungsbeschwerden: Insbesondere zu Beginn der Einnahme können Magen-Darm-Beschwerden wie Blähungen oder leichte Übelkeit auftreten.

Allergische Reaktionen: Obwohl selten, können allergische Reaktionen auf Pilzbestandteile vorkommen.

Wenn du bereits andere Medikamente einnimmst, solltest du auf folgende Wechselwirkungen achten:

Blutverdünner: Einige Pilze (z.B. Reishi und Auricularia) können die Blutgerinnung beeinflussen. Bei Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten ist also Vorsicht geboten.

Immunsuppressiva: Bei Autoimmunerkrankungen oder nach Organtransplantationen, wo immunsuppressive Medikamente eingenommen werden, ist besondere Vorsicht geboten, da Pilze das Immunsystem modulieren können.

Diabetesmedikamente: Einige Pilze können den Blutzuckerspiegel beeinflussen, was bei Diabetikern eine Anpassung der Medikation erfordern kann.

Es gibt einige wenige Kontraindikationen für die Einnahme von Vitalpilzen. Vor einer Operationen solltest du die Einnahme vorsorglich pausieren und das mit deinem Arzt/Ärztin besprechen. Da sich während der Schwangerschaft und Stillzeit viele Vorgänge im Körper umstellen, ist es ebenfalls ratsam in dieser Zeit den Verzehr von Vitalpilzen zu unterbrechen und dich dazu von deinem Therapeuten/-tin beraten zu lassen.

Wichtig: Vitalpilze sind keine Medikamente und ersetzen keine ärztliche Behandlung. Solltest du unter Vorerkrankungen leiden, regelmäßig Medikamente einnehmen oder unsicher sein, konsultiere vor der Einnahme von Vitalpilzen unbedingt deinen Arzt/Ärztin.

Fazit

Die Welt der Vitalpilze ist faszinierend und steckt voller Potenzial für unsere Gesundheit. Ihre traditionelle Anwendung in der traditionellen Naturheilkunde wird zunehmend durch moderne wissenschaftliche Erkenntnisse untermauert. Ob zur Stärkung des Immunsystems, zur Unterstützung bei Stress oder zur Verbesserung der kognitiven Funktionen – Vitalpilze können eine wertvolle und natürliche Ergänzung für dein ganzheitliches Wohlbefinden sein.


Weiterführende Quellen:

Thieme - Vitalpilze als Heilmittel und Superfood
Süddeutsche Zeitung - Vitalpilze